BÖP trauert um Ehrenmitglied emer. o. Univ.-Prof.in Dr.in Brigitte Rollett
Über Jahrzehnte hinweg prägte die Entwicklungspsychologin, Familienforscherin und Mitbegründerin der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie emer. o. Univ.-Prof.in Dr.in Brigitte Rollett das Bild ihres Faches mit. Am 5. Februar ist BÖP-Ehrenmitglied Brigitte Rollett im Alter von 89 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Bis Ende des Vorjahres war die 2003 emeritierte Wissenschafterin und Pionierin der Entwicklungspsychologie in Forschungsprojekten und Tagungen aktiv.
„Mit Brigitte Rollett verlieren wir eine ganz Große ihres
Faches. Sie war bis zuletzt höchst engagiert und unermüdlich darum bemüht, den Menschen die
Psychologie näher zu bringen. Ich bewunderte stets ihre Energie, ihren Einsatz
für die Psychologie in Österreich und ihre
Herzlichkeit. Sie schaffte es immer einen positiven Blickwinkel zu bewahren“,
so die Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen ao.
Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger. „Ich bin tief berührt. Sie wird uns sehr fehlen.“
Emer. o. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Rollett wurde am 9. Oktober 1934 in Graz geboren. Sie studierte an der Universität Graz Psychologie, Pädagogik und Philosophie und promovierte 1957. In der Folge wurde sie Studienassistentin am Psychologischen und Pädagogischen Institut. Nach ihrer Psychotherapeutischen Ausbildung habilitierte sie sich 1964 für das Gesamtfach Psychologie in ihrer Heimatstadt. Nach Professuren in Osnabrück, Kassel und Bochum wurde sie 1979 als Leiterin der Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie am Institut für Psychologie der Uni Wien berufen.
In der Folge sollte Wien zu ihrer wissenschaftlichen Heimat werden. So entwickelte sie das Psychologie-Institut, das 2002 zur Fakultät wurde, über einige Jahre hinweg als dessen Leiterin federführend weiter. Immer wieder mahnte emer. o. Univ.-Prof.in Dr.in Rollett die bessere Ausstattung ihres und anderer universitärer Institute in Österreich ein. Das tat sie u.a. auch als Chefin der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie (ÖGP), der sie ab 1993 als Gründungspräsidentin vorsaß. Seit dem Jahr 1960 war emer. o. Univ.-Prof.in Dr.in Rollett Mitglied des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP).
Autismus als zentrales Thema
Über viele Jahrzehnte hinweg setzte sich Rollett u.a. intensiv mit dem Thema Autismus und vor allem mit Bildung, Lernen und Motivation auseinander. So prägte sie etwa den Begriff der "Anstrengungsvermeidung". Gemeint ist damit ein aktives Einsetzen von Vermeidungsstrategien gegenüber Anforderungen, die die Umwelt an eine Person stellt.
Auf Rolletts Forschungsarbeit basiert nicht nur der in der psychologischen Diagnostik breit eingesetzte Anstrengungsvermeidungstest (AVT), sondern auch eine entsprechende Therapiemethode, mit der die Lernstörung behandelt werden kann. Um die Weiterentwicklung lerntherapeutischer Ansätze hat sich Rollett vielfach verdient gemacht. Ein weiterer Schwerpunkt der Wissenschafterin lag auf der Erziehungsberatung und Familienentwicklung.
Rollett fungierte auch als Präsidentin der 1977 gegründeten Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren. In diesem Zusammenhang warnte die Wissenschafterin, die 1994 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich erhielt, vielfach vor dem Gefährdungspotenzial etwa für junge Menschen.