Österreichische Akademie für Psychologen | ÖAP

Nachtrag zur Pressekonferenz "Armut kränkt die Seele"

05.10.2022 | Öffentlichkeitsarbeit

„Armut kränkt die Seele: Psychische Gesundheit und soziale Krisen“. Auf der heutigen Pressekonferenz des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) wurde gemeinsam mit den wichtigsten humanitären Organisationen des Landes ein Exempel statuiert. Der BÖP richtet mit diesem Schulterschluss einen Appell an die Gesellschaft und die Regierung, die psychischen Folgen von Armut endlich ernst zu nehmen.

Kein anderes Thema steht derzeit so im Fokus und betrifft so viele Menschen wie die Folgen der Inflation. Fest steht: Armut geht uns alle an. Deshalb ruft der BÖP gemeinsam mit bOJA, Caritas, Diakonie, Hilfswerk, pro mente, Rotes Kreuz und Volkshilfe dazu auf, zusammenzuarbeiten und jene Faktoren und Systeme zu stärken, die sich um die psychische Gesundheit kümmern.

„Das unterste Fünftel der EinkommensbezieherInnen weist mit 18,5% den höchsten Anteil an Depressionen auf. Im obersten Fünftel ist der Anteil Betroffener mit 3 % am niedrigsten. Mit Armut ist das Risiko also sechsmal so hoch“, weiß Psychologe Martin Schenk, stv Direktor der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz.

Österreich hatte bei der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen immer schon massiven Aufholbedarf. Die aktuelle Situation hat diesen Zustand noch weiter verschärft und stellt Betroffene vor völlig neue Herausforderungen. Es ist an der Zeit, die von Armut und sozialer Not betroffenen Menschen, nicht noch mehr an den Rand zu drängen, sondern sie gemeinsam wieder in unsere Mitte zurückzuholen. Armut und ihre Folgen sind häufige Ursachen für psychische Erkrankungen in der Bevölkerung. „Menschen in diesem Zustand zu lassen, ist Schaffung von Leid und Verschwendung von Geld im Gesundheitswesen. Besser ist es, vorher und direkt zu unterstützen“, bringt es pro mente austria-Präsident PDoz. Dr. med. univ. Günter Klug auf den Punkt.

Rotes Kreuz-Generalsekretär Mag. Michael Opriesnig sieht es ähnlich: „Es ist die Aufgabe des Staates, zumindest die Lebensgrundlagen der BürgerInnen sicherzustellen - also wohnen, essen, heizen aber auch Bildung sowie soziale und politische Teilhabe. Unser Ziel muss sein, dass alle Menschen annähernd die gleichen Chancen und Lebensbedingungen haben, damit ein menschenwürdiges Leben möglich ist.“

Der medizinische Leiter der Caritas Dr. med. univ. Thomas Wochele-Thoma MSc, Bac. ergänzt: „Wer arm ist, ist sehr häufig auch einsam. In der Caritas begegnen wir der wachsenden Einsamkeit an vielen Orten unserer täglichen Arbeit. Das gemeinsame Ziel muss also lauten, den sozialen Zusammenhalt und das Miteinander in unserer Gesellschaft zu stärken und Armut zu bekämpfen - auch und gerade in Zeiten der Krise.“

Es braucht nun drei Dinge“, fasst BÖP-Präsidentin a. o. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger zusammen: „Erstens müssen psychische Erkrankungen stärker in den Fokus gerückt und mehr Wissen über psychische Erkrankungen verbreitet werden. Zweitens muss psychische Behandlung für jede/n leistbar und niederschwellig, zum Beispiel als Kassenleistung, erreichbar sein. Und drittens müssen wir psychosoziale Versorgung in Österreich neu und vernetzt denken.“

Mag. Martin Schenk von der Diakonie betont die sozial- und gesundheitspolitische politische Notwendigkeit zu handeln: „Leben am Limit macht Stress. Leben am Limit schwächt die Abwehrkräfte und das Immunsystem. Leben am Limit macht verletzlich. Finanzielle Not, Arbeitslosigkeit oder schlechte Wohnverhältnisse machen krank. Es sind nicht nur die Belastungen ungleich verteilt, sondern auch die Ressourcen sie zu bewältigen. Sozialer Ausgleich ist eine gute Medizin.“

„Gerade Armutsbetroffene verfügen oft weder über ein soziales Netz, das sie wirksam auffängt, noch über Mittel, sich Unterstützung zu leisten, die nicht gefördert ist. Haltlose Überforderung bei Betroffenen und Angehörigen ist oft das Ergebnis. Das müssen und können wir gemeinsam ändern!“, ist Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm überzeugt.

Geschäftsführerin des bOJA Dachverband offene Jugendarbeit, Mag.a Daniela Kern-Stoiber, MSc bestätigt: „Was es braucht, sind sichere Räume für junge Menschen. Manche finden diese noch in der Familie, viele nicht – insbesondere Kinder und Jugendliche aus armutsbetroffenen Familien, bildungsfernen Familien, geflüchtete Jugendliche. Es ist daher wichtig, professionelle nicht kommerzielle Angebote auszubauen, die eben diese Sicherheit geben und Jugendliche positiv in die Zukunft schauen lassen.“

„Die Sorgen der Eltern schreiben sich in die Kinder ein. Die Existenzangst ist für von Armut betroffene Kinder allgegenwärtig. Ausgrenzung und Abwertung durch die Umgebung kommen noch hinzu. All das führt zusammen mit den Belastungen, die sich etwa aus chronischen Erkrankungen ergeben, dazu, dass die psychische Gesundheit armutsbetroffener Kinder einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt ist. Die Riesenlücke bei kassenfinanzierten Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche muss daher rasch geschlossen werden.“ bekräftigt Volkshilfe-Geschäftsführer Mag. Erich Fenninger, DAS.

NGO’s sind sich einig: Mit gebündelten Kräften ist es zu schaffen, flächendeckende, niederschwellige psychosoziale Unterstützung zu sichern. Die psychische Gesundheit der von Armut betroffenen und gefährdeten Menschen, ist ein Thema, das zügig angegangen werden muss, bevor es zu spät ist. Unser gemeinsames Ziel muss jetzt sein, den sozialen Zusammenhalt zu sichern. Daher startet der BÖP den Aufruf: Spannen wir ein Netzwerk der psychosozialen Unterstützungssysteme, um JETZT gemeinsam zu handeln!

Weitere Statements der wichtigsten humanitären Institutionen: JETZT GEMEINSAM HANDELN

Die gesamte Aufzeichnung der Pressekonferenz „Armut kränkt die Seele“ finden Sie hier.

Pressespiegel: