Psychologie und Digitalisierung: BÖP-Jahrestagung in Salzburg
Handy-Apps, die das Depressionsrisiko messen, Ängste, die mit Hilfe von virtueller Realität behandelt werden, PsychologInnen, die online mit ihren KlientInnen arbeiten – im Laufe weniger Jahre hat die Digitalisierung auch die Psychologie voll erfasst. Genau aus diesem Grund veranstaltete der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) heuer seine diesjährige Jahrestagung zu diesem Thema.
180 TeilnehmerInnen nahmen Mitte Juni an der Tagung „Die Digitalisierung der Gesundheit. Segen oder Fluch?“ im Parkhotel Brunauer in Salzburg teil. „Die Digitalisierung bringt viele Vorteile – auch im Bereich der Gesundheit. Sie ist eine Revolution“, erklärte BÖP-Präsidentin a.o. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger bei ihrer Eröffnung. Zugleich berge die Digitalisierung aber auch viele Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Prof. DDr. Manfred Spitzer ist Psychiater, Bestseller-Autor ("Digitale Demenz", "Cyberkrank") und einer der größten Warner vor den gesundheitlichen Folgen der Digitalisierung. In seinem Vortrag präsentierte er aktuelle Studien zum Thema und machte besonders auf die negativen Auswirkungen für (Klein-)Kinder gerade bei der Nutzung von digitalen Medien aufmerksam. „Bildschirme in Kindergärten und Volksschulen sind ganz klar schädlich“, so Prof. DDr. Manfred Spitzer. Bereits, wenn ein Smartphone auf dem Tisch liege, sei das Arbeitsgedächtnis eingeschränkt, so Prof. DDr. Spitzer. Auch Schlafstörungen würden durch das blaue Licht der Smartphones ebenso erhöht, wie das Auftreten von Kurzssichtigkeit.
Sein Tipp: Keinesfalls solle man die digitalen Medien allesamt ablehnen. „Sie sind ungeheuer praktisch“, so Spitzer. Trotzdem müsse man sich den Gefahren bewusst sein und gerade die unter 18-Jährigen müssten besser vor diesen geschützt werden (hier Interview mit Prof. DDr. Spitzer nachhören).
Dr.in Andrea Koschier, Leitungsteammitglied der Fachsektion Kinder-, Jugend- und Familienpsychologie und Rechtspsychologie im BÖP, berichtete in ihrem Vortrag „Babys und Medienkonsum“ von denAuswirkungen von digitalen Medien auf die Gehirnentwicklung und den Bindungsaufbau. Ihr Fazit: Intensive Nutzung digitaler Medien im Kleinkindalter führt zu kognitiven, sozialen, sprachlichen und schulischen Problemen. Kinder würden durch aktives Tun, nicht durch das Wischen auf einem Tablet lernen, so Dr.in Koschier. Häufige Smartphonenutzung schwäche den Bindungsaufbau, unterbreche „affektive Dialoge“ und könne zu Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen führen.
Fredi Lang, Diplom-Psychologe und Referatsleiter Fach- und Bildungspolitik des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) machte in seinem Vortrag auf berufsethische Fragen zur Digitalisierung aufmerksam. Nora Blum, M.Sc. stellte ihrerseits das von ihr entwickelte psychologische Online-Verfahren „Selfapy“ vor, das auf Basis der kognitiven Verhaltenstherapie in psychischen Belastungssituationen unterstützt.
Dipl.-Psych. Mark Goering wiederum präsentierte die Grundzüge der App „Moodpath“ eine Depressions-App, die weltweit 150.000 NutzerInnen hat. Mag. Christian Dingemann und Johannes Lanzinger, M.Sc. (Gründer von „Phobius“) zeigten, wie man mit Hilfe von virtueller Realität Ängste und Phobien behandeln kann.
Quintessenz der diesjährigen BÖP-Jahrestagung: PsychologInnen sollten den Umgang mit digitalen Medien nicht fürchten, sondern diese auch für ihre Arbeit nutzen. Aber: Die Risiken, die die Digitalisierung mit sich bringt, dürfen dabei nie unberücksichtigt bleiben.