„Emotionales Zukunftsthema“ - Psychologie im Gespräch zum Thema Pflege
Kaum ein anderes Thema wird derzeit heftiger diskutiert als die Pflege. Wie kann man Situationen für Angehörige und Betroffene verbessern? Welche Rahmenbedingungen braucht es für ein modernes, menschenwürdiges Pflegesystem? Und wie kann die psychische Gesundheit aller Beteiligten verbessert werden? All diesen und weiteren Fragen widmete sich die vierte Auflage der BÖP-Veranstaltungsreihe „Psychologie“ im Gespräch Ende April im Seminarzentrum der Österreichischen Akademie für Psychologie.
In ihrem Kurzvortrag „Gerontopsychologische Aspekte in der Pflege“ erklärte Univ.-Prof.in Dr.in Stefanie R. Auer, Universitätsprofessorin für Demenzforschung und Mitglied des Leitungsteams der Fachsektion „Gerontopsychologie“ des BÖP, wie wenig Wissen es noch über Menschen mit Demenz gebe. „Wir haben noch immer so wenig Ahnung darüber, was Menschen mit Demenz brauchen oder wollen. Es ist gruselig“, so Univ.-Prof.in Dr.in Auer.
Weltweit würden 50 Millionen Menschen mit der Diagnose „Demenz“ leben. Die Diagnoserate sei aber immer noch „erschütternd“ – auch in Österreich. Hier liegt die Entdeckungsrate aktuell bei gerade einmal 20-30 Prozent.
Nach dem Vortrag wurde in großer Gruppe diskutiert. Am Podium neben Prof.in Dr.in Auer: Dr. Alexander Biach (Vorstandsvorsitzender des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger), Ursula Frohner (Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes), Mag.a Lisa Haderer (Leiterin des Bereichs Team-Pflegeanwaltschaft der niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft) und Mag. Manfred Pallinger (Sektionschef für Pflegevorsorge-, Behinderten-, Versorgungs- und Sozialhilfeangelegenheiten im Sozialministerium).
Wie eine heiße Kartoffel würde das Thema Pflege in Österreich herumgeschoben, war Dr. Biach überzeugt. „Der Mensch steht mir hier aktuell viel zu wenig im Mittelpunkt“, machte der Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger klar.
„In diese sechs Buchstaben „Pflege“ wird ganz viel hineingepackt“, befand Ursula Frohner. „Wir müssen den Begriff endlich klarer definieren“, so die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, und hielt auch fest: „Pflege kann nicht jeder. Es ist eine Profession.“
Mag.a Lisa Haderer berichtete von ihrer Arbeit in der niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft. „Wir probieren unter den Eisberg zu sehen“, so Mag.a Haderer. Mag. Manfred Pallinger verwies auf die bereits bestehende Interdisziplinarität auf dem Gebiet, erklärte aber auch „Pfleggeld allein pflegt nicht.“
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz bietet aktuell in Kooperation mit dem Berufsverband Österreichischer PsychologInnen im Rahmen von „Angehörigengesprächen“ unkompliziert Hilfe für Personen, die Angehörige pflegen und psychisch belastet sind. Kostenlos und vertraulich ist daheim oder an einem anderen Ort ein entlastendes Gespräch mit einer/m von 80 PsychologInnen österreichweit möglich. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
BÖP-Präsidentin ao. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger: „Pflege ist ein unglaublich relevantes und stark emotionales Zukunftsthema. Eines das interdisziplinär ist und das wir nur gemeinsam bewältigen können.“